Aktuelle Forschungsprojekte

Innovation und Vorsorge als Ethische Prinzipien in der Bioökonomie (2020–2024)

Welches innovative Potenzial haben die neuen Techniken des Genome Editing in der Pflanzenforschung? Welchen Beitrag leisten sie für eine nachhaltige Landwirtschaft? Und was muss geschehen, dass die Prinzipien von Vorsorge und Innovation bei der Einführung der Neuen Pflanzenzüchtungstechniken in ein vernünftiges Verhältnis gebracht werden können und der scheinbar unversöhnliche Gegensatz von ökonomischen und ethischen Kategorien zugunsten eines reflektierten Umgangs mit beiden überwunden werden kann?

Der Forschungsverbund, der im Rahmen des Konzepts "Bioökonomie als gesellschaftlicher Wandel" vom BMBF gefördert wird, legt seinen Schwerpunkt auf ethische Fragen der Bioökonomie und ist zugleich interdisziplinär angelegt. Die Ergebnisse der Zusammenarbeit werden kontinuierliche auf dem Portal „Pflanzen-Forschung-Ethik“ veröffentlicht und so einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Darüber hinaus diskutieren die Projektverantwortlichen regelmäßig in Vorträgen im Kontext von BMBF, BMEL, Bauernverband und kirchlichen Foren für Nachhaltigkeit aktuelle ethische Fragen. Zentrale Ergebnisse der Forschungsarbeit werden Ende 2024 in der Studie „Ethik und Kompromiss. Der Konflikt um die gentechnischen Verfahren für die Landwirtschaft in theologischer Perspektive“ (TTN-Studien, Nomos-Verlag) veröffentlicht.

Im engen, regelmäßigen Austausch mit Experten aus der molekularen Biotechnologie, den Rechtswissenschaften, der Nachhaltigkeitsforschung, Agrarentwicklung und der Ethik veranstaltete der Forschungsverbund neben zahlreicher interner Projektworkshops folgende Veranstaltungen:

09.-10.09.2021: Konsultation „Ethik in der Bioökonomie am Beispiel von Genome Editing in der Landwirtschaft“, Katholische Akademie Tutzing (Programm (PDF, 153 KB))

15. 05. 2023: Stakeholder-Workshop „Neue genomische Techniken auf der politischen Agenda: Was leistet Ethik im Streit um neue Züchtungstechniken für die Landwirtschaft?“, Katholische Akademie Tutzing (Programm (PDF, 416 KB))

21.-22.02.2024: Öffentliche Tagung „Innovation und Vorsorge. Die neuen genomischen Techniken für die Landwirtschaft“, Evangelische Akademie Tutzing (Programm (PDF, 1.070 KB) + Tagungsfilm)

Prof. Dr. Markus Vogt, Lehrstuhl Christliche Sozialethik, Kath.-Theol. Fakultät, LMU München

Prof. Dr. Reiner Anselm, Lehrstuhl für Systematische Theologie und Ethik, Evang.-theol. Fakultät, LMU München

Prof. Dr. Jan Grossarth, Professur für Bioökonomie und Ressourcen, Hochschule Biberach

Dr. Sebastian Kistler, Lehrstuhl Christliche Sozialethik, Kath.-Theol. Fakultät, LMU München

Nora Meyer, Lehrstuhl für Systematische Theologie und Ethik, Evang.-theol. Fakultät, LMU München

Dr. Stephan Schleissing, Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften an der LMU München

Grossarth, Jan (2022): Bioökonomie Friedensbrücke?, in: Mietzsch, Andreas (Hg.), Biotechnologie Kursbuch, 35, Biocom, Berlin.

Grossarth, J. (2023), Bioökonomie und Zirkulärwirtschaft im Bauwesen, Eine Einführung, Wiesbaden.

Kistler, Sebastian (2023): Innovationen, Nachhaltigkeit und der Wert von Vielfalt, in TTN-Edition 2023, Freiheit, 42-49.

Nora Meyer / Stephan Schleissing: Genome Editing und Ethik: Ein Literaturbericht (2022), online unter https://www.pflanzen-forschung-ethik.de/bio-oekonomie/1702.genome-editing-ethik-literaturbericht-1.html

Schleissing, Stephan (2022): Bioökonomie als Herausforderung für eine evangelische Ethik, in: Zeitschrift für Evangelische Ethik (ZEE), 66. Jg., 2022, 198 – 211.

Schleissing, Stephan (2023): Wahlfreiheit und Genomeditierung. Ethische Überlegungen zur Kennzeichnung von GVOs, in TTN-Edition 2023, Freiheit, 14-24.

Vogt, Markus (2022): Christliche Umweltethik. Grundlagen und zentrale Herausforderungen, Freiburg: Herder 2021, 2. Aufl. (mit einem Kapitel zur Bioökonomie und einem Kapitel zu Grünen Gentechnik).

Markus Vogt (2023): Genom Editing, in: zur debatte 1/2023, 68 f.

Ethik der P4-Medizin

Die P4-Medizin (prädiktiv, präventiv, personalisiert, partizipatorisch) gilt gegenwärtig als eine erfolgversprechende Entwicklung für eine verbesserte – weil umfassendere und effizientere – Gesundheitsversorgung.

Gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, startete Ende 2018 das P4-Medizinprojekt DigiMed Bayern. DigiMed Bayern kombiniert umfassende Datensätze von Patienten, bei denen atherosklerotische Erkrankungen wie eine koronare Herzerkrankung, ein Schlaganfall oder genetische Risikofaktoren diagnostiziert wurden. Diese Datensätze werden weiter mit modernster multidimensionaler molekularer Charakterisierung (-omics-Technologien) des jeweiligen Probenmaterials angereichert. Für die integrative Analyse der resultierenden "Big Data" wird eine rechtskonforme, hochsichere und nachhaltige IT-Infrastruktur konzipiert und implementiert.

Im Rahmen des Arbeitspakets 7 (ELSI - Ethics, Law, and Social Implications) beteiligt sich das TTN an der ethischen und Begleitforschung.

Projektmitarbeit
Prof. Dr. Reiner Anselm
Dr. Therese Feiler

  • Das ‚Wir’ in der personalisierten Medizin, Hg. Therese Feiler und Arne Dreßler, Reihe: TTN-Studien (Nomos, 2024/2025)

  • Therese Feiler (2024)‚Wissenschaft und Theologie – Theologizität der Wissenschaft. Zur Vermittlung zwischen den Disziplinen bei Wolfhart Pannenberg und John Milbank‘, in: Gunter Wenz (Hg.), Die Wissenschaft von Gott und ihre Disziplinen. Zu Wolfhart Pannenbergs Theologieverständnis, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2024.

  • Das Herz: Perspektiven auf die Mitte des Menschen zwischen Glaube und Vernunft, Hg. Therese Feiler und Peter Schüz (Brill Ferdinand Schöningh, 2024)

  • Therese Feiler (2024)‚ Das Herz und die politische Rationalität‘, in: Das Herz: Perspektiven auf die Mitte des Menschen zwischen Glaube und Vernunft, Therese Feiler und Peter Schüz (Hg.), Brill/Schöningh.

  • Therese Feiler, Yannick Schlote, Heribert Schunkert (2021), ‚Bank, Archiv oder Bibliothek? – Denkmodelle für das ethische Fundament von Biobanken / Banks, archives or libraries? Models for the ethical foundation of biobanks‘, Deutsche Medizinische Wochenschrift 2021, 146(09), 623-626

  • Therese Feiler (2021)‚Personalität und praktische Vernunft. Zum Prinzip der Verhältnismäßigkeit in der P4-Medizin und der Corona-Krise‘, TTN Edition, 61-75

  • Therese Feiler (2020), ‘Sacred hearts and pumps: cardiology and the conflicted body politic (1500–1900)’, Medical Humanities, 2020, 46(4), 350-351

  • Therese Feiler (2019) ‚Person und Polis. Kriterien für eine brauchbare P4-Medizin‘, TTN Edition, 22-32.

Sozialwissenschaftliche Begleitforschung zur VRONI-Studie

Seit Juli 2020 führt das Deutsche Herzzentrum München im Rahmen des Verbundprojekts DigiMed Bayern ein umfassendes Screening zur Früherkennung der Familiären Hypercholesterinämie durch (VRONI-Studie). Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche sowie, im zweiten Schritt, Familienangehörige von Betroffenen. Herzstück des Screenings ist ein Gentest. Angeboten wird es in allen Bayerischen Praxen der Kinder- und Jugendmedizin, die an der Studie teilnehmen.

Wie bei allen genetischen Untersuchungen geben die Befunde des Vorsorge-Screenings nicht allein Auskunft über die Getesteten, sondern auch über nahe Verwandte. Betroffen sind Eltern, Geschwister und spätere Nachkommen. Damit ist die Frage der Teilnahme kein individueller Entscheidungsgegenstand mehr. Dies kompliziert ethische Fragen, die seit längerem unter dem Stichwort „Recht auf Nicht-Wissen“ diskutiert werden.

Wie die Eltern mit dem Angebot zum diagnostischen Screening umgehen und welche Herausforderungen von ärztlicher Seite bestehen, erforscht eine sozialwissenschaftliche Begleitstudie. Sie befragt alle Beteiligten des neuen Screening-Angebots: Eltern sowie Vertreter*innen der Pädiatrie und der Kinderkardiologie. Ziel der Untersuchung ist eine Erhebung der Haltungen, Sichtweisen und Deutungsmuster in Bezug auf die mit dem Screening verbundenen Chancen und Risiken. Die Begleitstudie enthält eine qualitative und eine quantitative Komponente.

Projektförderung
Gefördert wird die Untersuchung vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege. Sie ist Teil des Projekts DigiMed Bayern, mit dem die Bayerische Staatsregierung die digitalisierte Medizin im Bereich der atherosklerotischen Erkrankungen fördert.

Projektverantwortliche
Dipl.-Sozw. Arne Dreßler
Prof. Dr. Oliver Dimbath

Kontakt
Institut TTN Technik-Theologie-Naturwissenschaften
VRONI-Begleitstudie - Arne Dreßler
Evangelisch-Theologische Fakultät
Ludwig-Maximilians-Universität München
Geschwister-Scholl-Platz 1
80539 München
Email: arne.dressler@evtheol.uni-muenchen.de

  • Arne Dreßler und Oliver Dimbath (2023): „Medikalisierte Lebensführung und soziale Ungleichheit: Kooperationsperspektiven von P4-Medizin und Sozialer Arbeit“, in: Thomas Schübel und Boris Friele (Hrsg.): Medikalisierung und Soziale Arbeit, Wiesbaden: Springer VS, S. 203–221.

  • Arne Dreßler und Oliver Dimbath (2023): „Kontrollmedizin und Patientenautonomie. Das Freiheitsproblem in der gesundheitsorientierten medizinischen Versorgung, speziell bei der Einführung von Screenings. Ein Dialog zwischen Allgemeiner Soziologie und Medizinsoziologie“, in: Yannick Schlote und Therese Feiler (Hrsg.): Freiheit (=TTN edition 2023), München: Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität, S. 25–41.

  • Arne Dreßler und Oliver Dimbath (2022): „Radikale Medikalisierung: P4-Medizin als gesellschaftliches Modernisierungsprogramm“, in: Psychologie & Gesellschaftskritik, Jg. 46, H. 3, S. 91–110.

  • Veronika Sanin, Raphael Schmieder, Sara Ates, Lea Dewi Schlieben, Jens Wiehler, Ruoyu Sun, Manuela Decker, Michaela Sander, Stefan Holdenrieder, Florian Kohlmayer, Anna Friedmann, Volker Mall, Therese Feiler, Arne Dreßler, Tim M. Strom, Holger Prokisch, Thomas Meitinger, Moritz von Scheidt, Wolfgang Koenig, Georg Leipold und Heribert Schunkert (2022): „Population-based Screening in Children for Early Diagnosis and Treatment of Familial Hypercholesterolemia: Design of the VRONI Study", in: European Journal of Public Health, Jg. 32, H. 3, S. 422–428.

  • Oliver Dimbath und Arne Dreßler (2021): „Untiefen der Gewissheitsproduktion: Sozialwissenschaftliche Überlegungen zum diagnostischen Screening“, in: Therese Feiler (Hrsg.): Vernunft und Wissen: Zur Ethik in der Krise (=TTN edition 2021), München: Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität, S. 12–20.

  • Oliver Dimbath, Arne Dreßler, Therese Feiler, Yannick Schlote, Reiner Anselm: „ELSI-Forschung im Spannungsfeld der Erwartungen“, Interdisziplinärer Workshop „Erfahrungen mit ELSI. Zur Vermessung eines inzwischen weiten Feldes“, Gut Schönwag, Mai 2024.

  • Arne Dreßler: „Individuell? Sozial? Changierende Problemlösungsversprechen der P4-Medizin beim Versuch ihrer Implementierung“, Jahrestagung der Sektion soziale Probleme und soziale Kontrolle „Alles neu!? Problemsoziologische Perspektiven auf Semantiken und Praktiken sozialer Innovation und Transformation“, Hochschule Hannover, November 2023.

  • Arne Dreßler und Oliver Dimbath: „Jenseits von Meinungsforschung und Sozialtechnik – Die Soziologie im ELSI-Kontext“, Interdisziplinäre Tagung „Zwischen Labor und Lebenswelt: Zur Zukunft der ethischen Begleitforschung“, Evangelische Akademie Tutzing, Oktober 2022.

  • Arne Dreßler und Oliver Dimbath: „Die sozialen Konsequenzen der Personalisierung in der Medizin“, Tagung „Wo bleibt das ‚Wir‘ in der personalisierten Medizin?“, Evangelische Akademie Tutzing, März 2021.