Forschungsfragen

Forschungsfelder am Lehrstuhl Praktische Theologie II - Evangelische Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts

Inklusion und Religionspädagogik

© Verena Eberhardt

Mit dem Begriff „Inklusion“ sind unterschiedliche Bezugsdiskurse aufgerufen. Die vielstimmigen Diskurse eint das Anliegen, Menschen in allen Lebensbereichen gleichberechtige Teilhabe zu ermöglichen und diskriminierende Ausgrenzungs- und Abwertungsprozesse zu verhindern. Dabei fungiert der Bezug auf Inklusion sowohl als Analyseinstrument als auch als Zielperspektive. Schließlich gilt es, den durch die wechselseitige Erschließung von Inklusionstheorie und Religionspädagogik gewonnenen Impulsen in historischer, vergleichender, empirischer, systematischer sowie handlungsorientierter Perspektive nachzugehen.Die religionspädagogische Auseinandersetzung mit dem vielschichtigen Inklusionsdiskurs umfasst am Lehrstuhl u.a. folgende Forschungsthemen:

  • eine wissenschaftstheoretische Verhältnisbestimmung von Religionspädagogik als Wissenschaft zwischen Humanwissenschaft und Theologie,
  • eine konstruktiv-kritische Analyse mit den in der Religionspädagogik vertretenen Interpretamenten von Inklusion,
  • die systematisch-vergleichende Erforschung inklusiver Fachdidaktiken,
  • empirische Forschung zu Inklusion angesichts des Reifizierungsdilemmas sowie zu bestehender Ungleichheit bei Angeboten religiöser Bildung,
  • eine Reflexion religionspädagogischer Praktiken unter der Frage von Inklusion und Exklusion sowie
  • eine möglichst inklusive Ausgestaltung von Angeboten religiöser Bildung, damit Kirche und Theologie ihrer Inklusionsverantwortung gerecht werden können.

Kinder und Religion. Qualitative Erkundungen im europäischen Zusammenhang

Wie denken Kinder über Gott und die Welt nach? Welche Rolle spielt Religion im Aufwachsen von Kindern heute? Wo lernen Kinder etwas über Religion? Wie nehmen sich Kinder, die keiner Religion angehören oder die christlichen, muslimischen oder jüdischen Glaubens sind, in einem religiös pluralen oder mehrheitlich konfessionslosen Kontext wahr?

Diesen Fragen widmet sich das Projekt „Kinder und Religion. Qualitative Erkundungen im europäischen Zusammenhang“ in Koooperation mit Susanne Schwarz (RPTU Kaiserslautern-Landau), Stefanie Lorenzen (Universität Bamberg) und Helena Stockinger (KU Linz).

Ziel des Projektes ist es, empirisch zu erforschen, ob und wie Kinder aus verschiedensten religiösen und säkularen Kontexten Religion, Glauben und weltanschauliche Pluralität in ihrer sozialen Umgebung erfahren und auf ihre Relevanz hin deuten. Es ist offen und deshalb zu erkunden, von welchen religiösen Vorstellungen, Erfahrungen und Handlungen sich Kinder unterschiedlicher religiöser Zugehörigkeiten, Nationen und Lebenssituationen warum leiten lassen. Ein weiteres Anliegen besteht darin, das sozialwissenschaftliche Konstrukt von Kind und Kindheit um die religions- und sinnbezogene Dimension zu erweitern.

Dies geschieht mit Hilfe eines qualitativ ausgerichteten Forschungsdesigns: Die Datenerhebung erfolgt durch semistrukturierte Interviews mit Kindern, die ca. elf Jahre alt sind. Das Sample ist möglichst heterogen zusammengesetzt: Befragt werden Kinder unterschiedlicher christlicher Konfessionen und Denominationen, Kinder aus säkular orientierten Familien sowie Kinder mit jüdischem und muslimischem Hintergrund. Zudem wird auf eine möglichst ausgewogene Verteilung hinsichtlich Geschlecht, regionaler Herkunft (Stadt, Land) sowie sozio-ökonomischem Hintergrund geachtet.

Religionsdidaktik angesichts religiös-weltanschaulicher Heterogenität

Der Religionsunterricht steht unter Plausibilisierungsdruck. Daher stellt die Frage nach einem zukunftsfähigen Religionsunterricht, der religionsbezogene Bildung in der öffentlichen Schule ermöglicht, eine zentrale Forschungsanliegen dar.

Dies umfasst sowohl die Analyse von Anfragen und „Druckfaktoren“, die die Diskussion um den Religionsunterricht beeinflussen, als auch Impulse für die Ausgestaltung eines heterogenitätsfähigen Religionsunterrichts, der ausgehend von aktuellen Fragen und Themen Lernenden gute religiöse Bildung ermöglicht. Das schließt die handlungsorientierte Auseinandersetzung mit der Frage ein, wie ein Religionsunterricht gestaltet werden kann, den Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrer religiös-weltanschaulichen Sozialisation als relevant erfahren.

Projekt: Religionsunterricht im Bewährungsmodus

Obgleich der konfessionelle Religionsunterricht in Deutschland rechtlich stark verankert ist, wird er längst nicht in allen Schulen angeboten. Auch muss er seinen Bildungsauftrag und seine Verankerung in der öffentlichen Schule immer wieder plausibilisieren – insbesondere in mehrheitlich nichtchristlichen bzw. konfessionslosen Kontexten, wobei sich dieser „Plausibilisierungsdruck“ kontextuell (u.a. je nach Region und Schulform) noch einmal besonders ausprägen kann.

Diese Aufgabe wird sich in den kommenden Jahren immer zentraler darstellen: Der Religionsunterricht muss für sich werben, um seinem bildungstheoretischen Anspruch, der sich an alle Lernenden und nicht nur an die Getauften unter ihnen richtet, gerecht zu werden. Entsprechende Ansätze sind vereinzelt bereits etabliert, beispielsweise in Form von Angeboten beim „Tag der offenen Tür“ in den Schulen, Informationen im Rahmen von Elternabenden in Kindergärten, Vorstellungstexten auf Schul-Webseiten oder Flyern, die für den Religionsunterricht werben. Auf wissenschaftlicher Ebene sind diese Plausibilisierungsstrategien sowie die an den Religionsunterricht in der Praxis hervorgebrachten Anfragen jedoch noch nicht empirisch erforscht.

Im Rahmen des Forschungsprojekts „Religionsunterricht im Bewährungsmodus“ wird die Etablierung des religionsunterrichtlichen Angebots an einer staatlichen Grundschule in einem heterogenen Einzugsgebiet begleitet. Dabei wird empirisch erforscht, wie sich die Prozesse im Auf- und Ausbau des Religionsunterrichts darstellen und bewähren: Wie gestalten sich die Entwicklung und die Organisation? Welche Plausibilisierungsstrategien werden von der initiierenden Lehrkraft angewandt? Wie wird das Unterrichtsfach innerhalb der Schule sowie im öffentlichen Umfeld wahrgenommen? Welche Anfragen stellen sich aufseiten der Eltern und des Kollegiums? Wie gestalten sich die Kooperationen innerhalb der Fächergruppe sowie mit der örtlichen Kirchgemeinde?

Die Beantwortung dieser und weiterer Fragen liefert wertvolle Ansatzpunkte für die Plausibilisierung eines Religionsunterrichts der Zukunft.

Wie kommt der Religionsunterricht zu seinen Inhalten?

Die inhaltliche Dimension des Religionsunterrichts berührt religionspädagogisches sowie religions­didaktisches Nachdenken in ihrem Kern; trotzdem spielt die Inhaltsfrage im Fachdiskurs eine eher untergeordnete Rolle. Globale Anforderungen wie Kompetenzorientierung, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und In­klusion haben die Frage nach den Inhalten in den Hintergrund treten lassen. Zugleich scheint sich unabhängig vom aktuellen Theoriediskurs in den Lehrplänen ein stabiler Kranz an religionsunterricht­lichen Themen etabliert zu haben.

Gerade jedoch aktuelle Entwicklungen in den sozia­lisatorischen und lebensweltlichen Voraussetzun­gen der Teilnehmenden wie auch Überlegungen zu pluralitätsfähigen Modellen von Religionsunterricht zeigen, wie wichtig eine Auseinandersetzung mit den Inhalten auf der theoriebildenden Ebene ist.

Damit sind folgende Ziele verbunden:

  • die Prozesse der Auswahl bzw. der Konstruktion von religionsunterrichtlichen Inhalten sichtbar zu machen und zu reflektieren,
  • die Konsequenzen unterschiedlicher Ansätze und Perspektiven für die Frage nach der Auswahl und Konstruktion von Inhalten für bzw. im Religions­unterricht herauszuarbeiten und zu diskutieren,
  • Impulse für die theoriebildende und praxisbezoge­ne Weiterarbeit an der inhaltlichen Dimension des Religionsunterrichts zu gewinnen.

Konfessionelle Kooperation

Religionspädagogik im Plural zu denken und konfessionssensibel zu reflektieren, ist Anliegen einer konfessionell-kooperativen ausgerichteten Religionspädagogik. Dem dient die Kooperation in Forschung und Lehre des Lehrstuhls für Evangelische Religionspädagogik mit dem Lehrstuhl für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts der Katholisch-Theologischen Fakultät (Prof. Dr. Mirjam Schambeck sf). Dies umfasst die Frage, wie ein bayerischer Weg für einen zukunftsfähigen Religionsunterricht aussehen kann und wie Religionslehrkräfte für einen heterogenitätssensibel ausgerichteten Religionsunterricht befähigt werden können.

Aktuelle Veranstaltung, die konfessionell-kooperativ gestaltet sind, finden Sie bei unseren Lehrveranstaltungen.

Qualifikationsarbeiten am Lehrstuhl

Im Folgenden sind Qualifikationsarbeiten gelistet, die am Lehrstuhl betreut werden.

© Daria Pezzoli-Olgiati

Religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung (rBNE)

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) beschäftigt sich damit, „Menschen Bildungschancen zu eröffnen, die es ermöglichen, sich Wissen und Werte anzueignen sowie Verhaltensweisen und Lebensstile zu erlernen, die für eine lebenswerte Zukunft und eine positive gesellschaftliche Veränderung erforderlich sind“ (UNESCO 2005, 26). Dies greift rBNE auf und integriert spirituelle und ethische Überlegungen, um Verantwortungsbewusstsein für die Umwelt und soziale Gerechtigkeit zu entwickeln und „fragt […] auf rationaler, emotionaler wie motivationaler Ebene danach, welche Impulse aus einer religiösen Perspektive auf Welt und Wirklichkeit gewonnen werden können, damit Menschen weltweit, gegenwärtig und in Zukunft, würdig leben und ihre Bedürfnisse und Talente unter Berücksichtigung planetarer Grenzen entfalten können.“(Arbeitsgruppe rBNE, 2021)

Die Arbeitsgruppe "Religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung" (rBNE) beschäftigt sich intensiv und parxisorientiert mit der Forschung zu rBNE. Alle Interessierte sind herzlich zur Teilnahme an den regelmäßig stattfindenden Treffen (ein- bis dreimal im Jahr) eingeladen.

Magdalena Breit bearbeitet in ihrem Forschungsprojekt zu „rBNE und biblischen Perspektiven“ die Forschungsfrage, inwieweit Psalmen ein didaktisches Potential für rBNE beinhalten und wie dieses für verschiedene Bildungskontexte nutzbar gemacht werden kann. Die poetischen Texte der Psalmen mit ihrer besonderen Sprache können als Gebrauchstexte einen individuellen, emotionalen und lebensweltlichen Zugang zur jüdischen, christlichen und muslimischen Kultur und Religion eröffnen. Durch eine konstruktive Verknüpfung des aktuellen Themas der Nachhaltigkeit mit den biblischen Texten können Impulse für transformatives Denken und Handeln aufgegriffen und gefördert werden.

© Alexandra Beitz

Der 'barmherzige Samariter' goes digital. Ein diakoniewissenschaftliches Forschungsprojekt
Promotionsprojekt Alexandra Beitz

Digitale Räume stellen in der diakoniewissenschaftlichen Forschung noch weitgehend eine terra incognita dar. Dies ist problematisch, da in den letzten Jahren in gesellschaftlichen wie wissenschaftlichen Diskursen ein Phänomen zunehmend an Bedeutung gewinnt: Hate Speech, das als gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit konzeptualisiert und als ‚Kommunikationsform von Diskriminierung‘ (Sponholz, 2021) bezeichnet wird. Diakonie als gelebte Nächstenliebe ist auch in einer digitalen Gesellschaft gefordert, gemäß dem Gleichnis vom Barmherzigen Samariter, überall dort aktiv zu werden, wo Menschen ‚unter die Räuber‘ fallen.

Für ein ‚digitales Samaritertum‘ braucht es neben professioneller Sozialarbeit vor allem Kenntnisse zu digitalen Kontexten und digitalen Kommunikationspraxen. Damit kommt auch die populäre und quantitativ bedeutsame Kommunikationsform des Influencing in den Blick. Konkret wird im Forschungsvorhaben gefragt: „Inwiefern kann die Diakonie ihrer Aufgabe, zum Nächsten zu werden, auch in digitalen Kontexten mithilfe „diakonischen Influenzens“ gerecht werden?“ Hierzu wird in interdisziplinärer Herangehensweise eine Theorie diakonischen Influenzens erarbeitet an der Schnittstelle zwischen diakonischer Theologie und Medientheorie bzw. Kommunikationswissenschaft. Zudem werden Handlungsperspektiven für Diakonie-Unternehmen aufgezeigt.

Alexandra Beitz hat den Promotionsstudiengang Diakoniewissenschaften an der Universität Bielefeld absolviert und promoviert bei Frau Prof. Dr. Ulrike Witten.
Kontakt: alexandra.beitz@web.de