Prof. em. Dr. Heinz-Wolfgang Kuhn (✝)
Emeritus
Lehrstuhl Neues Testament I
Emeritus
Lehrstuhl Neues Testament I
Die Evangelisch-Theologische Fakultät der Ludwig-Maximilian-Universität München trauert um Prof. Dr. Heinz-Wolfgang Kuhn, der am 1. Juli 2023 im Alter von 89 Jahren verstorben ist. Kuhn wurde in Coburg als Sohn von Horst Kuhn (evangelischer Pfarrer) und Therese (geb. Schubarth) geboren.
Nach seinem Studium in evangelischer Theologie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg promovierte er 1963 zum Dr. theol. am gleichen Standort mit einer Arbeit zum Thema „Enderwartung und gegenwärtiges Heil in den Gemeindeliedern von Qumran mit einem Anhang über Eschatologie und Gegenwart in der Verkündigung Jesu“ (gedr. 1966). Kuhns Dissertation erfuhr besondere Beachtung, da sie ein Bild von einer frommjüdischen-apokalyptischen Tradition entwickelte (z.B. in den damals bekannten Qumran-Texten), bei der man in der Gegenwart mit einer wirkungsvollen Tätigkeit Gottes rechnen konnte. Kuhn habilitierte sich 1969 in Heidelberg mit einer Studie „Ältere Sammlungen im Markusevangelium“, die 1971 erschien und weitere Einzelstudien hinsichtlich der Bedeutung der Heiden bei Jesus vorwegnahm. Seine Forschungsinteressen richteten sich bereits damals, im Laufe der Zeit dann immer mehr, auf die Frage nach dem historischen Jesus. Hier ging es ihm darum, Einsichten über kritisch-erreichbare Verbindungen zwischen Jesus Überlieferungen und Schriften aus der judäischen Wüste zu gewinnen. Er wurde 1973 Professor für Neutestamentliche Theologie in Heidelberg, und von 1972 bis 1980 übernahm er mehrere Lehrstuhlvertretungen an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der Georg-August-Universität Göttingen. 1978 wurde er mit der Bonifatius-Medaille der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz, 1998 für seine herausragende wissenschaftliche Tätigkeit mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande, und zuletzt 2011 mit der Ehrenurkunde an der University of Nebraska USA ausgezeichnet. Kuhn war von 1986 bis zu seiner Emeritierung 1999 Professor am Lehrstuhl für Neues Testament an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Von 1993–1995 war er dort Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät. Kurz nach Antritt seiner Professur in München wurde er Kodirektor des Ausgrabungsprojekts in Bethsaida, Israel. Von 1975 bis 1995 widmete er sich dem Thema „Jesus‘ Kreuzestod“ in 15 Aufsätzen und Beiträgen, u.a. mit einem bedeutenden Text in der Reihe „Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt II“: Principat 25/1 (1982), 648–793. Nach seiner Emeritierung setzte er seine Forschungen insbesondere in zwei Bereichen fort: Zum einen betreute er weiterhin das Bethsaida-Projekt, zu dessen Ausgrabungen er 2005 einen bedeutenden Band mit Aufsätzen zu „Bethsaida in der Zeit Jesu“ veröffentlichte. Zum anderen untersuchte er traditionsgeschichtliche Motivverbindungen von „Qumran“-Texten zu neutestamentlichen Überlieferungen, zuletzt, zusammen mit einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe, zu den als authentisch geltenden Paulus-Briefen (20 Aufsätze, 1992–2015). Er hinterlässt lässt dabei einen Reichtum an Quellenarbeit, die künftigen Forschungen im Zusammenhang von Neuem Testament und dem frühen Judentum eine wertvolle Grundlage bietet. Selbst zwanzig Jahre nach seiner Emeritierung nahm Kuhn noch regelmäßig am neutestamentlichen Forschungskolloquium teil und engagierte sich weiterhin für Nachwuchswissenschaftler/innen.
Die wissenschaftliche Theologie in Deutschland und weltweit verliert einen markanten und profilierten Gelehrten, der sowohl als Neutestamentler als auch als Forscher antik-jüdischer Texte und Archäologie langjährig bis zuletzt tätig war.
Herr Prof. Kuhn hinterlässt seine Ehefrau Ursula (geb. Mohr) und seine drei erwachsenen Kinder Berthold, Annegret, Verena sowie sechs Enkel und drei Urenkel.