Forschung

Ethische Theologie, wie sie am Lehrstuhl vertreten wird, verbindet im Rahmen der Systematischen Theologie die traditionellen Teildisziplinen Dogmatik und Ethik. Sie diskutiert die Grundbestände des Christentums im Blick auf die Lebensführung und die Gestaltung der gemeinsamen Lebenswirklichkeit. Historisch fundiert gilt ihr Interesse besonders den Umformungsprozessen christlicher Tradition in der Gegenwart. Um diese Umformungsprozesse zu verstehen, zu gestalten und kritisch begleiten zu können, zielt die ethische Theologie auf eine theologisch informierte Gesellschaftstheorie, nimmt aber auch die Kirchentheorie und die Theorie individueller Frömmigkeit in den Blick.

Forschungsschwerpunkte

In der Tradition liberaler Theologie nimmt die Arbeit an den Grundlagen der Ethik ihren Ausgangspunkt bei einer Bestimmung des Wesens des Christentums. Im Zentrum stehen dabei die beiden zentralen Lehrstücke des christlichen Glaubens, der Glaube an Gott den Schöpfer, Versöhner und Erlöser sowie Jesus Christus als wahrer Mensch und wahrer Gott. Deren Bedeutung für die Grundlegung der Ethik gilt es im Dialog mit der philosophischen Ethik und den Sozialwissenschaften nachzugehen.

Das Verhältnis von Mensch und Natur steht in der Moderne unter einer besonderen Spannung. Der Klimawandel hat große Auswirkungen auf das Leben von Menschen, Tieren und Pflanzen. Politische Ziele wie die „Sustainable Development Goals“ (Paris 2015) fordern eine Transformation in nahezu allen Bereichen gesellschaftlichen Zusammenlebens. Wie kann der Mensch seiner Verantwortung bzw. christlich gesprochen als Geschöpf Gottes gerecht werden? In Forschung und Lehre widmet sich der Lehrstuhl diesem Themenkomplex, auch in Zusammenarbeit mit dem Münchner Zentrum für Nachhaltigkeit (MZN).

Spannungen und Konsonanzen zwischen Religion und Politik gehören seit jeher zum Christentum und bewegen auch in der Gegenwart die Gemüter. Politische Ethik ist das weite Feld, auf dem sowohl nach den politischen Implikationen christlicher Überzeugungen gefragt wird, als auch politische Phänomene und Institutionen als ethisch-theologische thematisiert werden. Am Lehrstuhl wird besonders die konstruktive Rolle des evangelischen Christentums in der freiheitlichen Gesellschaft, in Demokratie und Staat sowie der Europäischen Union erforscht, wobei das Programm des Öffentlichen Protestantismus den Rahmen bildet und neue Impulse setzt. Mit Blick auf aktuelle Herausforderungen widmen sich Forschung und Lehre zudem der Weiterentwicklung der Friedensethik für eine Epoche der Multiordnungen: Das Ziel ist es, den normativen Rahmen für einen „Regelbasierten Pluralismus“ in internationalen Beziehungen zu entwerfen.

Technik ist integraler Bestandteil menschlicher Kulturtätigkeit, sie dient wie die Kultur insgesamt der Lebensbewältigung. Ethik hat die technische Kultur auf diesen Zweck hin immer wieder zu prüfen und Tendenzen der Selbstverzweckung von Technik als auch ihre Vereinnahmung durch einseitige Interessenvertretung zu wehren. Innovative Technologien wie das Genome Editing und das maschinelle Lernen (KI) bergen noch oft unbesehene Möglichkeiten, Individuen als auch Gesellschaften insgesamt zu unterstützen Hier den Blick für das freiheitsermöglichende Potential von Technik zu weiten, ist ein Anliegen unseres Forschungsprofils.

Die Medizin ist nicht nur ein wachsendes Anwendungsfeld technologischer und kultureller Fortschritte, sie treibt sie selbst auch voran, seien es Digitalisierung, Omics-Technologien, neue Diagnostiken oder Bemühungen um Prävention. Die Überlegungen, was diese Entwicklungen normativ bedeuten, werfen immer wieder auch existentielle Fragen auf. Sie verlangen eine stetige, kritische Reflexion tradierter Bewertungsmaßstäbe hin auf ihre Zukunftstauglichkeit. Gleichzeitig gilt es auch, die etablierten Problemkreise biomedizinischer Ethik am Anfang und Ende des Lebens, im Blick auf den Umgang mit Krankheit und Behinderung, nicht zuletzt, im Blick auf die Fragen von Heil und Heilung zu reflektieren. Der Lehrstuhl widmet sich dieser dreifachen Aufgabenstellung in einer Vielzahl von Forschungsprojekten und ist dabei im aktiven Gespräch mit klinisch Tätigen, mit der medizinischen Forschung, mit Pflege, Diakonie und Politik.

Aktuelle Forschungsprojekte

DigiMed Bayern kombiniert umfassende Datensätze von Patienten und Patientinnen, bei denen bestimmte atherosklerotische Erkrankungen mittels neuester Omics-Verfahren diagnostiziert wurden. Für die integrative Analyse der resultierenden "Big Data" wird eine rechtskonforme, hochsichere und nachhaltige IT-Infrastruktur konzipiert und implementiert. Im Rahmen des Arbeitspakets 7 (ELSI - Ethics, Law, and Social Implications) beteiligt sich das TTN an der ethischen Begleitforschung.

Mehr unter: www.ttn.st.evtheol.uni-muenchen.de/forschung/digimed-bayern

Seit Juli 2020 führt das Deutsche Herzzentrum München im Rahmen des Verbundprojekts Digimed Bayern ein umfassendes Screening zur Früherkennung der Familiären Hypercholesterinämie durch. Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche sowie, im zweiten Schritt, Familienangehörige von Betroffenen. Herzstück des Screenings ist ein Gentest. Wie bei allen genetischen Untersuchungen geben die Befunde des Vorsorge-Screenings nicht allein Auskunft über die Getesteten, sondern auch über nahe Verwandte. Wie die Eltern mit dem Angebot zum diagnostischen Screening umgehen und welche Herausforderungen von ärztlicher Seite bestehen, erforscht die sozialwissenschaftliche Begleitstudie.

Mehr unter: www.ttn.st.evtheol.uni-muenchen.de/forschung/vroni_begleitstudie

Das 2018 gestartete Projekt Bavarian Genomes baut unter der Leitung der fünf bayerischen Zentren für Seltene Erkrankungen eine Genomdatenbank auf, die mittels informatischer Mustererkennung bessere Diangose- und schließlich Therapiemöglichkeiten für Menschen mit Seltenen Erkrankungen ermöglichen soll. Das TTN untertützt beim Verfassen der Patientenkonsents, dem Schaffen von Partizipationsmöglichkeiten für Betroffene und berät zudem bei juristischen Fragen.

Mehr unter: www.ttn.st.evtheol.uni-muenchen.de/forschung/bavarian-genomes