Vom einfachen Leben in der Tradwife-Idylle
von Natalie Fritz

von Natalie Fritz
Die Welt ist kompliziert und manchmal überfordert sie uns.
Das beginnt bereits morgens bei der Wahl des richtigen Outfits und zieht sich dann über die Positionierung im Team-Meeting, den Sprachgebrauch auf WhatsApp oder das Pro und Kontra eines Spendenbeitrags für die Flüchtlingshilfe bis zum Abend fort. Dort angelangt ist es noch nicht vorbei, weil noch ein Gericht aus der Speisekarte eines Restaurants ausgesucht und bei einem der unzähligen Lieferdienste bestellt werden will.
Die Welt ist kompliziert. Und die Digitalisierung hat sie nur scheinbar – wähle ich nun Uber Eats oder Just Eat, Amazon oder Temu? – einfacher gemacht. Vielleicht scheinen simple Lösungen und klare Zuordnungen heute deshalb so attraktiv. Wobei diese Überlebensstrategie nicht neu ist: Gut und böse, heilig und profan, erlaubt und verboten sind Kategorien, die in den meisten Kulturen dazu dienten, sicher und relativ zweifelsfrei durch den Tag zu kommen. Religiöse Institutionen und Experten – das Maskulinum ist nicht zufällig gewählt – waren Teil des Alltagslebens und erklärten die Welt, indem sie sie in Kategorien oder Schubladen einteilten und so bewältigbar machten.
Heute legen sich viele ihr eigenes Weltbild zurecht und bedienen sich dabei unterschiedlichster Ideen und Theorien aus allen erdenklichen Kulturen. Dabei geht die Stringenz nicht selten etwas unter, die Auswahl im Netz ist halt enorm, dem Algorithmus zum Trotz. Und dann beginnen wir wieder von vorn: die Welt ist kompliziert…
Wie gut, dass uns die Tradwives auf TikTok und Instagram in solch verwirrenden Zeiten den Weg weisen und die Welt durchschaubar machen. Während sie Enten füttern oder Schürzen nähen, platzieren diese selbsternannten ‚traditionellen Hausfrauen‘ mit sanfter Stimme und seligem Lächeln argumentative Totschläger aus der Naturalisierungskiste: „Gott hat Männer männlich und Frauen weiblich geschaffen. Amen!“ oder „Von Feminismus und Diversität ist in der Bibel eh nirgends die Rede.“
Für solch präzise Aussagen werden die Tradwives mit abertausenden Likes und Views belohnt. In Petticoat und mit selbstgebackenem Banana Bread entführen sie uns in eine idealisierte, heteronormative Vergangenheit. Eine unkomplizierte Vergangenheit, in der Frauen keine Eizellen einfrieren mussten, um die erkämpfte Stelle nicht zu gefährden, und Männer nicht dazu genötigt wurden, Quality Time mit ihren Kindern zu verbringen.
Dank den fleißig postenden Tradwives werden Werte und Normen zurück in die Gesellschaft gebracht, die längst überwunden schienen. Nichts gegen die Wahlfreiheit, jede*r soll das Leben so gestalten dürfen, wie es ihr*ihm richtig scheint. Der missionarische Eifer mancher Tradwives hingegen hat einen Nachgeschmack: Nicht nach verbrannter Milch, das passiert einer guten Hausfrau nicht. Eher nach gefährlicher gesellschaftspolitischer Blindheit, gepaart mit heuchlerisch getarntem Geschäftssinn.
Denn die Welt ist kompliziert. So kompliziert, dass es sogar in der konservativen Tradwife-Idylle vorkommt, dass eine erfolgreiche Breadmakerin ihren Ehemann als Breadwinner ablöst... Sie backen einfach die größeren Brötchen!