KAOS: Queerness gegen Größenwahn und Machtmissbrauch

von Caroline Kloos

Die Welt scheint gerade den Atem anzuhalten angesichts der schwindelerregenden Argumentationsversuche zur Legitimation politischer Macht. An vorderster Stelle rangiert dabei die Vorstellung, durch einen vermeintlich göttlichen Willen auserwählt zu sein. Dieser göttliche Wille zeige sich, so das Narrativ, etwa dann, wenn bestimmte Politiker Attentate überleben. Dieses angebliche Zeichen ihrer besonderen Bestimmung soll das Durchsetzen ihrer politischen Agenda rechtfertigen. Auch D. Trump bedient sich dieser Argumentation. Insbesondere nach den vereitelten Anschlägen auf ihn inszeniert er sich als von einer höheren Macht beschützt und göttlich auserwählt. Aus diesem vermeintlichen göttlichen Auftrag leitet er zugleich die Legitimation seines politischen Handelns ab. In einer seiner ersten Amtshandlungen fixiert er gesetzlich die Binarität der Geschlechter per Dekret. Damit wird die Existenz non-binärer Personen faktisch geleugnet, ihre gesellschaftliche Stellung und rechtliche Sicherheit untergraben und ihre medizinische Versorgung kriminalisiert.

Official White House Photo von Abe McNatt, 10. Februar 2025.

Wie eine direkte Antwort auf diese bereits im Wahlkampf angeordnete Maßnahme erscheint im August 2024 die Netflix Serie KAOS von Charlie Covell. Die Serie ist eine schwarzhumorige Adaption griechischer Mythologie in eine moderne Welt. Zentrale Themen der Serie sind Machtmissbrauch und dessen Legitimation durch Religion, Geschlechtsidentität sowie die Frage nach einem Leben nach dem Tod. In der Serie wird erzählt, wie das Schicksal drei Menschen zusammenbringt, denen es gemeinsam gelingt, die Götterfamilie rund um Zeus und damit die bestehende Ordnung zu stürzen. Das Rückgrat dieser Ordnung bildet ein fiktives Religionssystem, das aus Versatzstücken historischer und zeitgenössischer Religionen besteht. Durch den deutlichen Bezug auf bekannte religiöse Referenzsysteme ist dieses erfundene Religionssystem der Serie klar als religiös erkennbar. Seine Aufrechterhaltung dient dem Machterhalt und der Unsterblichkeit der Götter.

Gegenspieler von Zeus und seiner Familie wiederum ist das Schicksal als das eigentlich gültige, transzendente Prinzip. Es manifestiert sich in den Schicksalsgött:innen, drei non-binärer Figuren, die von ebenso non-binären Schauspieler:innen verkörpert werden.

Ausschnitt aus KAOS, Netflix, Charlie Covell, UK, 2024 (Folge 2, 31:34): Die drei Schicksalsgött:innen.

Im Laufe der Serie erhalten die Schicksalsgött:innen Unterstützung von weiteren Figuren, die alle entweder queer sind oder weiblich oder beides. Im unerschütterlichen Glauben an die Fähigkeit des Schicksals, den Machtmissbrauch zu beenden, werden sie selbst aktiv, lieben leidenschaftlich und schrankenlos und sind bereit, sich für ein größeres Ganzes, also für das Wohl anderer, zu opfern. Zusammen gelingt es ihnen, das machtmissbräuchliche System als Lüge zu entlarven und so die bestehende Ordnung zu stürzen.

Die Kritik, welche die Serie auf sehr unterhaltsame Weise an Machtmissbrauch und dessen Legitimierung durch religiöse Systeme übt, ist offensichtlich. Die Serie KAOS erhebt die non-binären Schicksalsgött:innen zu transzendenten Instanzen und einen menschlichen Transmann zum Erlöser. Durch die Serie werden aktuelle politische Machtansprüche infrage gestellt, vermeintlich ‚göttliche‘ und als ‚natürlich‘ deklarierte Wahrheiten der Lüge überführt.

Obwohl von den Machern der Serie eine Fortsetzung geplant war, wurde die Serie bereits nach der ersten Staffel abgesetzt. Offiziell begründet der Konzern das Absetzen der Serie nicht, es wird nur etwas vage auf mangelnden Publikumserfolg verwiesen. Dem geben die Zuschauerzahlen allerdings nur bedingt recht. Die Vermutung drängt sich auf, dass es vielleicht doch der vorauseilende Gehorsam gegenüber machtpolitischen Interessen war, der zum Einstellen der Serie geführt hat. So bleibt nur ein bedauerndes „Schade“ und die dringende Empfehlung, die Serie anzusehen für einen Lichtblick in bedenklichen Zeiten.

Caroline Kloos