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Bilder, die Wunder bewirken: Konzepte und religionshistorische Erkundungen

Termin:

16. Juni 2023 - 19. Juni 2023

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Prof. Dr. Friedhelm Hartenstein, Altes Testament
Prof. Dr. Isabelle Mandrella, Philosophie
Prof. Dr. Daria Pezzoli-Olgiati, Religionswissenschaft
Prof. Dr. Loren Stuckenbruck, Neues Testament

Thema und Fragestellung

Das interdisziplinäre Seminar fokussiert sich auf Bilder und ihre Bedeutung innerhalb religiöser Symbolsysteme und Traditionen. Religiöse Symbolsysteme können als komplexe Kommunikationssysteme verstanden werden, in denen verschiedene Medien und Modi interagieren. Während Texte und Sprache lange Zeit im Zentrum von intellektuellen Zugängen zu Religion standen, wurde visuelle Kommunikation erst in den letzten Jahrzehnten zu einem wichtigen Forschungsgegenstand der Theologie und Religionswissenschaft.

In diesem Seminar beschäftigen wir uns mit der Rolle von Bildern in Religion(en) mit einem spezifischen Interesse: Wir untersuchen Bilder mit Schwerpunkt auf ihre Performanz und Wirkung. Wir erforschen, welchen Beitrag visuelle Kommunikation leistet: Wie übermitteln und verkörpern Bilder transzendente Botschaften? Wie vermitteln sie zwischen transzendenten Sphären und der menschlichen Lebenswelt? Wie verankern sie jenseitige Offenbarungen im Hier und Jetzt? Wie materialisieren sie außerweltliche Phänomene?

Das Seminar ist als interdisziplinärer Austausch zwischen Philosophie, Bibelwissenschaften und Religionswissenschaft konzipiert. Es ist in zwei Abschnitte unterteilt: Im ersten Teil werden Grundkonzepte diskutiert, die Bilder als aktive religiöse Akteure verstehen. Im zweiten Teil werden die Ergebnisse dieser theoretischen Reflexion mit einer historischen Fallstudie in Verbindung gebracht, die einen wichtigen Platz innerhalb der venezianischen Kunst-, Architektur- und Religionsgeschichte einnimmt.

Teil I: Bild und visuelle Performanz als Grundkonzepte für die Religionsforschung

Mit der Einführung eines kulturwissenschaftlichen Ansatzes in Theologie und Religionswissenschaft haben Bilder in den letzten Jahrzehnten zunehmend Aufmerksamkeit erhalten. Aus einer konzeptionellen Perspektive gründen die Analyse und die Interpretation visueller Kommunikation in religiösen Traditionen in der Rezeption der Bildwissenschaft. Damit hat sich erstens ein breites, umfassendes Konzept des Bildes, das verschiedene materielle Formen und mentale Repräsentationen umfasst, als besonders produktiv für die Erforschung von Visualität in religiösen Systemen erwiesen. Zweitens werden Bilder in erster Linie nicht als Dinge, sondern als Praktiken definiert: In der Triangulation zwischen der Materialität von Bildern, den involvierten Körpern, die diese Bilder produzieren und rezipieren, und den immateriellen Bezügen, die die Bilder evozieren, werden visuelle Prozesse der Bedeutungsproduktion realisiert, angepasst und transformiert. Drittens ist ein kulturwissenschaftlicher Zugang zu Bildern mit spezifischen Zugängen zu Raum und Zeit verbunden: Visuelle Kommunikation geschieht immer an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit, an dem und zu der die Rezipierenden mit dem visuellen Material oder der imaginierten Repräsentation interagieren. Deshalb sind Bilder grundlegende Praktiken in religiösen Prozessen der Bedeutungsproduktion: Sie werden über verschiedene soziale Sphären, Kulturen und Zeiten rezipiert, geformt und übermittelt. Darüber hinaus interagieren sie mit anderen Medien und vermitteln Ideen, Werte und Normen. Im Seminar wird eine Dimension betont, die für die Erforschung von Religion besonders relevant ist: Die Performanz von Bildern und die Möglichkeit, sie als handelnde Subjekte zu verstehen.

Im ersten Teil des Seminars, der an der LMU wöchentlich stattfinden wird, werden wir Texte und Theorien diskutieren und uns in einem Dialog zwischen unseren Disziplinen mit der Performativität von Bildern befassen. Wir werden ausgewählte Quellentexte und zeitgenössische Theorien lesen und diskutieren und dadurch Konzepte der visuellen Performanz hervorheben, die für die Analyse visueller Kommunikation in religiösen Gemeinschaften und Traditionen weiterführend sind.

Teil II: Eine Fallstudie in Venedig: Santa Maria dei Miracoli

Anhand dieser Konzepte werden wir in einem Blockteil die Votivkirche Santa Maria dei Miracoli in Venedig untersuchen. Während eines dreitägigen Aufenthalts werden wir dieses bemerkenswerte, aus der Renaissance stammende Gebäude erforschen. Die Kirche wurde zwischen 1481 und 1489 von Pietro Lombardo und seinen Söhnen gebaut, um ein Gemälde zu beherbergen, das die Jungfrau Maria mit dem Jesuskind darstellt und im ersten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts gemalt wurde. Vor dem Bau der Kirche hing das Gemälde an der Außenwand eines Hauses und wurde bald zu einem Objekt der öffentlichen Verehrung, da es vermeintlich Wunder vollbrachte.

Während des Blockseminars in Venedig werden wir das Gebäude analysieren und dabei das Votivbild, die architektonische Gestaltung der Kirche sowie deren Skulpturen und Ikonographien ebenso wie ihre Verortung innerhalb des Sestriere di Cannaregio und des venezianischen Stadtplans des 15. Jahrhunderts berücksichtigen. Darüber hinaus werden wir die Transformationen des Gebäudes und die Rezeption des Votivbildes in den folgenden Jahrhunderten bis heute in den Blick nehmen.

Während sich der erste Teil des Seminars auf das Lesen und Definieren von Konzepten konzentriert, ist das Blockseminar in Venedig einerseits einer Erforschung des Ortes und andererseits den Präsentationen der Teilnehmenden gewidmet, die sich auf einzelne Aspekte der gewählten Fallstudie beziehen sollen.

Abschlussbericht (PDF, 283 KB)