Lebensweisheiten in einem Teebeutel

von Hannah Griese

Ich gehe in die Drogerie und obwohl ich eigentlich keinen Tee kaufen will, ende ich, wie so oft, doch vor dem Tee-Regal und studiere die große Auswahl an Yogi-Tees, eine meiner Lieblingsmarken. Wie wäre es mit einem erfrischenden Kräutertee mit Ginseng, Zitronenmelisse und Eukalyptus, der mentale Klarheit verspricht und laut Verpackung für neue Perspektiven sorgt? Oder steht mir der Sinn doch eher nach der Sorte mit dem vielversprechenden Namen „Seelenbalsam“ mit Kakaoschale, Rooibos und Orange, der „warmherzig, vollmundig und schokoladig“ sei? Die Auswahl der Sorten sowie die damit verbundenen Verheißungen sind vielfältig. Und wie schön wäre es, wenn all diese Versprechungen nur durch Teetrinken wahr werden würden?

Letztendlich wähle ich eine Packung „Maca Chai“ mit Maca, Zimt und Nelken – laut Packung „würzig, munter und aufregend“. Zuhause brühe ich mir gleich eine Tasse davon auf. Während der Tee zieht, betrachte ich die Verpackung genauer. „Der Tee für alle, die Neues entdecken wollen“ steht da. Und: „Lass dich von dieser exotischen Mischung dazu einladen, Neues zu entdecken. Deine Abenteuerlust wird neu entfacht!“ Ich trinke einen Schluck. Und auch wenn die Abenteuerlust wohl noch etwas auf sich warten lässt, ist zumindest mein religionswissenschaftliches Interesse geweckt.

Offenbar handelt es sich bei YogiTea um ein Unternehmen, das mit dem Konsum seines Tees diverse Versprechungen für das persönliche Wohlergehen verknüpft. Das Trinken des Tees, so wird suggeriert, verhelfe den Betreffenden etwa zu einem klaren Geist, zu mehr Lebensfreude und Glück oder eben zur Abenteuerlust. Für jeden und jede gibt es die passende Sorte, wobei mitunter auch Orientierung für die intendierte Auswahl geboten wird: Während der Tee „Frauenpower“ lieblich und fruchtig sei, wirbt der „Männertee“ mit den Eigenschaften Kraft und Bodenständigkeit. Dieser Tee-Hersteller zeichnet mit seinem Marketing also nicht nur ein Bild von einem erstrebenswerten Leben, sondern formt auch geschlechtliche Rollenbilder mit.

Die Rückseite der Verpackung bettet sodann diese Vorstellung eines gelungenen Lebens in einen größeren Kontext ein. Neben einem Plädoyer für ein achtsames Leben in Balance und dem Bewirken des Guten – inspiriert vom Genuss des Tees – lese ich dort: „Mit unseren Tees, den yogischen Weisheiten an jedem Teebeutel und einer Yoga-Übung auf jeder Packung wollen wir Euch jeden Tag eine Inspiration sein und damit einen Beitrag zu einer friedlichen, gesunden Welt voller Achtsamkeit und Glück leisten.“ Es folgt der Slogan „Serve your Spirit.“ Der bloße Konsum des Tees reicht also nicht aus, sondern es gehört schon noch ein bisschen mehr dazu. Interessant scheint in diesen Sätzen der leise Widerspruch zwischen dem Anspruch, die Welt zu verbessern und dem Aufruf, seinem eigenen „Geist“ zu dienen. Der Konsum von Tee, so die Botschaft dieses Produkts, trägt zur Weiterentwicklung meines Geistes bei, wodurch letztendlich die Welt zu einem besseren Ort wird.

Gespannt bin ich jetzt aber noch auf die versprochene Lebensweisheit auf dem Teebeutel. Ich greife zu meiner Tasse und lese: „Wisse, dass Du die Wahrheit bist.“ Ich weiß zwar nicht, was genau das bedeuten soll, aber vielleicht muss man darüber ja auch erstmal eine Tasse Tee trinken und meditieren.

Hannah Griese