Auf Wolke sieben in den siebten Himmel
von Verena Eberhardt
von Verena Eberhardt
Es ist gut zehn Jahre her, dass Philipp Dittberner in seinem gemeinsam mit Marvin Webb produzierten Song Wolke 4 eine Hymne auf Bescheidenheit in Liebesdingen gesungen hat. Mit nüchternem Tonfall und in erwartungsvoller Resignation singt er:
Lass uns die Wolke vier bitte nie mehr verlassen
Weil wir auf Wolke sieben viel zu viel verpassen
Ich war da schon einmal und bin zu tief gefall’n
Lieber Wolke vier mit dir, als unten wieder ganz allein
Könnte man es sich aussuchen, so würde man manchmal vielleicht im Voraus wählen, in welche himmlischen Höhen man sich mit seinem Gspusi begibt. Der Songtext suggeriert jedenfalls, dass eine solide Wolke vier eine viel bessere Grundlage sei als Wolke sieben, die zum einen wohl blind mache, zum anderen auch eine erhöhte Absturzgefahr bereithalte. Das Bild, das der Song zeichnet, nämlich die Wolken durchzunummerieren und Wolke vier als Alternative zu Wolke sieben zu präferieren, beruht auf der Idee, dass es nicht nur einen Himmel, sondern mehrere geben könnte und dass der siebte Himmel wohl der schönste sei.
Die Vorstellung mehrerer Himmel reicht weit zurück in die antike Kosmologie. Im Laufe der Zeit wurden in naturphilosophischen und theologischen Auseinandersetzungen mit der Welt viele verschiedene Modelle entwickelt, wie es denn um alles oberhalb der Erde beschaffen ist. Die Grundlage dieser Diskussionen ist ein geozentrisches, ptolemäisches Weltbild, das die Erde in der Mitte verortet und in Schalen- und Sphärenentwürfen verschiedene Himmel oberhalb des Irdischen imaginiert.
So schreibt der venezianische Mönch Fra Mauro 1459 in seiner Mappa mundi nach einer langen Diskussion über die verschiedenen Ansichten der Gelehrten, die von einem (Johannes Chrysostomos) bis zu sieben (Hrabanus Maurus) Himmeln ausgingen, dass es nach heutiger Auffassung – also der aus dem Jahr 1459 – zehn Himmel gebe. Diese erstreckten sich vom Mond über Merkur, Venus, die Sonne, Mars, Jupiter, Saturn zu den Fixsternen über die neunte Sphäre hin zum Empyreum, der Heimstätte alles Göttlichen.
Nun könnte man meinen, dass die große Liebe im siebten Himmel dem Göttlichen sehr nahekomme, doch sind es je nach Lehrmeinung eben auch mehr oder weniger als sieben Himmel. Auch wenn die Wolke-sieben-und-siebter-Himmel-Theorien, die im Internet kursieren, stets Aristoteles in ihrem Ursprung sehen, so kann das nicht sein, denn in Buch I, Kapitel 8 seiner Kosmologie Über den Himmel heißt es ausdrücklich: „Wir wollen nun darlegen, weshalb es auch nicht mehrere Himmel geben kann.“ Hier sind wir also auf dem Holzweg, der uns nicht in die Sphären der Erleuchtung führt.
Viel wahrscheinlicher ist es, dass der Ursprung der Metapher im Testamentum Levi zu finden ist. In diesem jüdischen Text aus dem 2. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung erzählt Levi von zwei Träumen, die durch die Himmel führen. In Summe sind es sieben, der unterste ist dunkel, da er die Ungerechtigkeiten der Menschen sieht. Im siebten jedoch, der über allen liegt, „verweilt die große Herrlichkeit, hoch über jeder Heiligkeit“ (3,4). Eine andere jüdische Schrift, das Martyrium Jesajas, bildet eine weitere Spur. Der Text, der in seiner Ursprungsstruktur auf das 1. Jahrhundert v. u. Z. datiert wird, erfuhr vermutlich im 2. Jahrhundert n. u. Z. eine umfassende Redaktion und wurde um eine Vision Jesajas und eine Begegnung mit Christus erweitert. In dieser christlichen Umformung ist er als Himmelfahrt des Jesaja bekannt. Jesaja steigt Himmel für Himmel empor, ein jeder ist schöner und herrlicher als der vorherige. Im siebten Himmel schließlich sieht er „wunderbares Licht und Engel ohne Zahl“ (9,6), darunter den „Engel des Heiligen Geistes“ (9,36) sowie den „Höchsten der Hohen“ (10,6), also Gott, und den „Herrn Christus, der Jesus genannt werden soll“ (10,7).
Die religiösen Erzählungen lassen sich mit der antiken Kosmologie, auf der noch Fra Mauro im 15. Jahrhundert aufbaut, durchaus in Einklang bringen. Die beobachteten Bewegungen der Planeten und deren Schichtungen übereinander führten zu Theorien mehrerer Himmel, die mit dem religiösen Weltbild kombiniert werden konnten. Die Vorstellung, der siebte Himmel sei das Empyreum, also der oberste Himmel, Sitz der Engel und Gottes, ist über die Jahrhunderte tradiert worden und zeichnet noch heute das Sprachbild außerordentlicher Hochstimmung – sofern man sie denn sucht, und nicht lieber auf Wolke vier sein Glück findet.